Virtuelles Kraftwerk Harz

Problem:

Ein stabiles elektrisches Energiesystem erfordert ein ständiges Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch. Schwankungen werden im liberalisierten deutschen Markt mit Hilfe von Regel- bzw. Ausgleichsenergie ausgeregelt. Dafür werden bislang konventionelle Großkraftwerke in Teillast betrieben, wobei sie weder volkswirtschaftlich noch ökologisch optimal arbeiten. Ein weiteres Problem ist, dass entstehende Ungleichgewichte in der Regel durch Energietransporte über das Hoch- und Höchstspannungsnetz zum Teil über tausende Kilometer hinweg ausgeglichen werden. Diese Art der Nutzung der Netze müssen die Letztverbraucher mit ihren Netznutzungsentgelten, dies sind bis zu 40 % des „Strompreises“ für Haushaltskunden, zahlen. Dem gegenüber werden die sich bietenden Potenziale durch dezentrale Erzeugungsanlagen, insbesondere kleine, nicht leistungsgemessene Anlagen, nicht genutzt.

Ziel:

Durch die intelligente Vernetzung verschiedener dezentraler Stromerzeuger wird dezentral erzeugte elektrische Energie mit maximalen Gewinn verkauft und damit die wirtschaftliche Basis für den weiteren Ausbau dezentraler Stromproduktion mit erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) auf Basis von konventionellen Anlagen und später Brennstoffzellen geschaffen. Beim Virtuellen Kraftwerk Harz soll erstmals eine wirtschaftliche Einbindung von Mikro-KWK-Anlagen im Leistungsbereich von 5,5 kW elektrisch realisiert werden. Ziel ist es, den Projektpartnern zu ermöglichen, die Netznutzung gegenüber dem vorgelagerten Hoch- und Höchstspannungsnetzen zu regeln und damit zum einen den Bezug von Regel- bzw. Ausgleichsenergie zu minimieren und damit die Netznutzungskosten zu steuern.

Stand der Technik:

Das Konzept eines "Virtuellen Kraftwerks (VKW)" wird seit Jahren diskutiert. Ein VKW wird hier definiert als imaginärer Zusammenschluss von räumlich getrennten elektrischen Energieanlagen, die

  • mindestens über das öffentliche Energieversorgungsnetz miteinander verbunden sind;

  • eine oder mehrere Funktionen von elektrischen Kraftwerken erfüllen;

  • hinsichtlich dieser Funktion eine wirtschaftliche oder technische Einheit sind.

Wie konventionelle Kraftwerke lassen sich VKWs nach den Funktionen in Grund-, Mittel-, Spitzenlast-, Regel-, Reserve- und Netznutzungskraftwerke gliedern. Charakteristisch, wenn auch nicht zwingend, ist die Integration von Erzeugungsanlagen auf Basis von verschiedenster Brennstoffe, Technologien, Standorte und Eigentümer. Bislang werden VKWe mit einzelnen Erzeugungseinheiten größer als 1 MW (elektrisch) wirtschaftlich erfolgreich betrieben, kleinere Anlagen wurden zu Forschungs- und Demonstrationszwecken eingebunden.

Lösungsweg:

Im Rahmen des Projekts wird ein Netznutzungskraftwerk für die Harzenergie entwickelt. Technisch-wirtschaftliches Ziel ist die Optimierung der Nutzung der vorgelagerten Netze. Dies führt einerseits zur Minimierung des Bedarfs an Regel- bzw. Ausgleichsenergie, andererseits zu einer Minimierung der Netznutzung gegenüber dem vorgelagerten Netzen. Die so vermiedenen Netznutzungskosten können an die dezentralen Erzeuger und Verbraucher weiter gegeben werden.

Das VKW vereinbart mit dem Kunden Harzenergie einen Fahrplan auf ¼-h-Basis. Daraus abgeleitet werden für die Lieferanten des VKW Präferenzen für Lauf- und Ruhezeiten der Erzeugungseinheiten. Im Sinne einer effizienten Betriebsweise werden bei nicht leistungsgemessenen Lieferanten neu entwickelte synthetische Produktionsprofile verwendet.

Die fahrplanseitige Beeinflussung der Betriebszeiten der Erzeuger erfolgt nach technisch

  1. manuelle Änderung durch VKW-Erfüllungsgehilfen, insbesondere im Rahmen der Wartung

  2. manuelle Änderung durch den Betreiber, beispielsweise durch Anruf, E-Mail

  3. automatische Änderung durch Online-Anbindung

    • ohne Quittung durch Fernsteuerung

    • zwei Wege durch Online-Modul

Durch diese „Vorsteuerung“ wird der Bedarf für kurzfristige Energielieferungen minimiert, die in gegenseitigen Einvernehmen jederzeit angepasst werden kann. Der verbleibende Bedarf an kurzfristig abrufbarer Leistung wird im Rahmen der online verfügbaren Anlagen erfüllt

Im Rahmen des Projekts werden für die die verfügbaren Potenziale an positiver und negativer abrufbarer Leistung minütlich bezogen auf die aktuelle Abrechnungsviertelstunde ermittelt und dem Kunden zur Verfügung gestellt. Für die Ermittlung der Werte von nicht leistungsgemessenen Erzeugungseinheiten werden die synthetischen Produktionsprofile mit Hilfe online erfasster Daten einer Stichprobe angepasst.

Der Kunde Harzenergie entscheidet über den Abruf der Leistung aus dem VKW, welches wieder bestimmt, wie und mit welchen Anlagen und Anlagegruppen der Leistungsabruf gedeckt wird. Durch diese Struktur kann sich die Harzenergie weiter auf ihre Kernkompentenzen im Energieversorgungsbereich konzentrieren und die Möglichkeiten der dezentralen Erzeugung elektrischer Energie nutzen.

Im Projekt werden vorrangig bestehende und künftig zu errichtende Anlagen nachstehender Kategorien für die Nutzung im Virtuellen Kraftwerk betrachtet:

  • Blockheizkraftwerke (BHKW), insbesondere kleine BHKW in Ein- oder Mehrfamilienhäusern oder Gewerbeimmobilien. in diesem Bereich kann bei technisch-wirtschaftlicher Verfügbarkeit das BHKW durch Brennstoffzellen substituiert werden

  • Notstromaggregate, deren monatlicher Probelauf bisher unkoordiniert abläuft und nicht zur Netzentlastung verwendet wird

  • Wasserkraftwerke. Das Potenzial ist im Harz weitgehend ausgeschöpft, für die vorhandenen Anlagen in einer Größenordnung von mehreren Megawatt besteht im Hinblick auf die Netzentlastung Optimierungsbedarf

Projektstand per 31.12.2006:

Zur Absicherung der Produktionsprofile für nicht leistungsgemessene Erzeugungseinheiten werden die Messungen weiter geführt, ebenso die theoretischen Arbeiten für die synthetischen Produktionsprofile und dem Verhalten bei gezielten Eingriffen. Daneben wird ein Prüfstand zur experimentellen Prüfung der Ergebnisse vorbereitet. Erste Module der Software des VKW sind bereits erstellt, die Arbeiten an weiteren Modulen laufen.

Projektpartner:

Harzenergie GmbH & Co KG, Osterode
Senertec Center Harz und Börde, Bad Harzburg
Goslarer Gebäude Management, Goslar

Förderung:

Das Projekt wird gefördert durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE).


Technische Universität Clausthal
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